Am Montag hatte die Nachrichtenagentur Associated Press (AP) berichtet, dass die Polizei in Griechenland zukünftig eine Soundkanone mit großer Reichweite an der Außengrenze zur Türkei einsetzen will. Das auf einem Polizeipanzer montierte Gerät macht einen ohrenbetäubenden Lärm mit der Lautstärke eines Düsentriebwerks. Es gehört zu einer Anlage mit Mauern aus Stahl, die zusammen mit Drohnen an der 200 Kilometer langen Grenze zur Türkei zur Migrationsabwehr installiert und getestet wird. Das Fahrzeug des kanadischen Herstellers Streit stammt aus einer Serie beschlagnahmter „Typhoon“, die über Dubai illegal nach Libyen exportiert werden sollten.
Nachdem die AP-Meldung über die Schallkanonen sich verbreitete, hatte der Kommissionssprecher Adalbert Jahnz klargestellt, dass es sich dabei nicht um ein EU-Projekt handelt. Gestern berichtete AP abermals dazu. Jahnz zufolge hat die Kommission die Installation der Technik „mit Besorgnis zur Kenntnis genommen“ und fordert Informationen über deren Einsatz. In EU-Mitgliedstaaten genutzte Methoden müssten den europäischen Grundrechten entsprechen, einschließlich des „Rechts auf Würde“. Auch das Asylrecht und das Prinzip der Nichtzurückweisung in Staaten, in denen Geflüchteten Verfolgung droht, müssten respektiert werden.
Die Empörung der Kommission ist alles andere als glaubwürdig. Nachdem der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan im März 2020 Geflüchtete zum Sturm auf die türkisch-griechische Grenze benutzt hatte, reiste die Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen vor dem Start einer Frontex-Mission an den Grenzfluss Evros und erklärte dort ihre Solidarität. Wörtlich sagte die ehemalige deutsche Verteidigungsministerin: „Ich möchte Griechenland dafür danken, dass es unser europäischer Schutzschild ist.“
Kommission finanziert Forschung zur Grenzüberwachung
Ebenfalls gestern hat das von der Kommission finanzierte Projekt ROBORDER in einer Mitteilung erklärt, dass die dort zusammengeschlossenen Beteiligten nun mit dem Projekt BorderUAS kooperieren. In beiden Vorhaben geht es um die Nutzung von Drohnen. Beteiligt ist daran die Polizei in Griechenland, die Anwendungen sollen dort auch ausprobiert werden.
In Griechenland soll etwa eine Drohne gegen den „unbefugten Grenzübertritt an einer Seegrenze“ zum Einsatz kommen, außerdem ein Flugzeug der Fraunhofer-Gesellschaft mit einer Überwachungs-Testplattform, Radaranlagen und Wärmebildkameras. Das Kürzel ROBORDER steht für „Autonomer Schwarm heterogener Roboter zur Grenzüberwachung“. Untersucht werden Drohnen zu Wasser, an Land und in der Luft.
Alle Drohnen in ROBORDER sollen in Schwärmen operieren können. Gesteuert werden sie über ein mobiles Kontrollzentrum der deutschen Firma Elettronica. In diesem „Mehrzweck-Einsatzunterstützungsfahrzeug“ (MUROS) laufen auch alle aufgenommenen Daten zusammen. Das bald endende Projekt kostet rund neun Millionen Euro, davon übernimmt die EU-Kommission den größten Anteil.
Hochauflösende Kameras an Leichter-als-Luft-Drohnen
Unter dem Akronym BorderUAS hat die Kommission Forschungen an einer „Teilautonomen Grenzüberwachungsplattform mit einer hochauflösenden Multi-Sensor-Überwachungsnutzlast“ beauftragt. Grenzbehörden, Polizeien sowie Firmen und Institute vorwiegend aus Osteuropa und Griechenland wollen darin sogenannte Leichter-als-Luft-Drohnen untersuchen.
Dabei kann es sich um kleine Zeppeline oder Ballons handeln, die mit alternativen Antrieben fortbewegt werden und über eine Vielzahl von Sensoren und Kameras verfügen. Die beteiligte Firma HiperSfera aus Kroatien vermarktet derartige Systeme etwa zur Grenzüberwachung.
Das Projekt zielt auf die Verhinderung von Migration auf der sogenannten östlichen Mittelmeerroute, der westlichen Balkanroute und über die östliche EU-Landaußgrenze. Diese machen laut der Projektbeschreibung 58 Prozent aller entdeckten irregulären Grenzübertritte aus. BorderUAS endet 2023, die Technologie soll bis dahin von Polizeikräften in Griechenland, der Ukraine und Weißrussland erprobt werden. Die Kommission finanziert das komplette Budget mit rund sieben Millionen Euro.
Zivile und militärische Drohnenforschung
Zur Grenzüberwachung fördern die EU-Verteidigungsagentur und die Kommission in Griechenland zahlreiche zivile und militärische Drohnenprojekte. Hierzu gehört das 35 Millionen Euro teure Projekt OCEAN2020, das zur Integration von Drohnen und unbemannten U-Booten in Flottenverbände forscht. 2022 endet das rund sieben Millionen Euro teure ARESIBO, an dem das griechische, portugiesische und rumänische Verteidigungsministerien sowie die NATO-Forschungsstelle an Drohnentechnik arbeiten. Mit weiteren fünf Millionen Euro unterstützt die Kommission einen „Informationsaustausch für Kommando-, Kontroll- und Koordinationssysteme an den Grenzen“ (ANDROMEDA). Dabei geht es auch um Drohnen, die von Marinen, Küstenwachen und den Polizeien der Mitgliedstaaten eingesetzt werden.
In CAMELOT fliegen verschiedene Drohnen aus Israel und Portugal, wie in ROBORDER soll dazu eine einzige Bodenstation genutzt werden. Als Szenarien werden „Schmuggel und Suche und Rettung von illegalen Einwanderern in einem Küstengebiet“ erprobt. Die Kommission trägt von der Gesamtsumme acht Millionen Euro. Dieses Jahr sollen Ergebnisse von FOLDOUT am griechisch-türkischen Grenzfluss Evros ausprobiert werden, dabei handelt es sich um Satelliten, hochfliegende Plattformen und Drohnen mit Technik zur „Laubdurchdringung in Gebieten in äußerster Randlage der EU“. Auch hierfür gibt die Kommission acht Millionen Euro aus.
Ebenfalls mit EU-Mitteln entwickeln vorwiegend griechische Partner, darunter die Drohnenhersteller ALTUS und Intracom Defense sowie die Luftwaffe, unter dem Kürzel LOTUS eine Drohne mit „Autonomiefunktionen“ und Tarneigenschaften zur Aufklärung. Der Projektleiter bewirbt das System als geeignet für die „Überwachung von Grenzen und Migrationsströmen“.
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